Die Königsdisziplin des Reitsports

Auch bei den Olympischen Spielen in London verspricht das Springreiten wieder viel Spannung

»Vom 27. Juli bis zum 12. August 2012 werden die Olympischen Spiele zum dritten Mal nach 1908 und 1948 in London ausgetragen. Reitsportlicher Glanz wird sich im englischen „Pferdeland“ aber erst jetzt erleben lassen. Bereits für 1908 war auf schwedische Initiative erstmals ein olympisches Reitprogramm entworfen worden. Als dann Anmeldungen von 88 Reitern aus 8 Nationen eingingen, erklärten die Londoner Organisatoren sich aber für außerstande, solche reitsportlichen Konkurrenzen in ihrem Programm zu bewältigen. So wurde der Reitsport erst 1912 in Stockholm olympisch. Nun wird in London die Weltelite mit 200 Reiterinnen und Reitern aus insgesamt 40 Nationen erwartet, die sich in anspruchsvollen Prüfungen qualifizieren mussten. Mit Mannschaften in allen drei Disziplinen sind in London neben den gesetzten Gastgebern Großbritannien sechs weitere Nationen vertreten: Australien, Deutschland, Kanada, die Niederlande, Schweden und die USA. In allen drei Disziplinen starten auch Teilnehmer aus Belgien, Brasilien, Frankreich, Irland und Japan, aber nicht überall mit einer Mannschaft.

Das Springreiten gilt als Königsdisziplin unter den drei olympischen Reitsportdisziplinen und zählt stets mehr Nationen am Start als die Dressur und das Vielseitigkeitsreiten. So verteilen sich auch die olympischen Medaillen hier auf mehr Nationen: Seit 1912 gewannen Springreiter aus insgesamt 23 Nationen olympische Medaillen in Einzel- und Mannschaftswertung, während in der Dressur nur 14 und in der Vielseitigkeit 18 Nationen Medaillen feiern konnten. Trotz dieser starken internationalen Konkurrenz ist Deutschland ebenso wie in der Dressur auch im Springreiten mit insgesamt 23 Medaillen, darunter 13 Mal Gold, die erfolgreichste Nation vor den USA mit 17, Italien und Frankreich mit jeweils 13 sowie Großbritannien mit neun Medaillen, obwohl Deutschland lediglich an 17 der bisherigen 22 olympischen Reiterspielen Teilnehmen konnte.

Dabei blieben die ersten sieben Spiele zwischen 1912 und 1948 Offizieren vorbehalten, wobei Schweden, Frankreich und Italien den Medaillenspiegel dominierten. Nach Einzelsilber und Teambronze 1912 gewannen deutsche Offiziere 1936 in Berlin erstmals Doppelgold im olympischen Springsport, was deutsche Teams dann 1956 in Atlanta wiederholen konnten. Außer den Deutschen schafften solche Doppelerfolge im Springen lediglich Mexiko 1948 und die US-Reiter 1984.

Seit den Reiterspielen 1956 in Stockholm dominieren nicht länger Uniformen die olympischen Teilnehmerfelder. Weither sind es die roten und schwarzen Röcke der zivilen Reiterei, wobei die Amazonen in der Einzelwertung bisher noch nie Gold und erst zweimal, 1968 und 1972 von britischen Reiterinnen, Silber gewinnen konnten.

Stockholm 1956 bleibt stets mit der Stute Halla und Hans Günther Winkler verbunden. Im ersten Umlauf des Nationenspringens, in dem damals auch die Einzelwertung entschieden wurde, hatte sich Winkler eine schwere Zerrung in der Leiste zugezogen. Während des zweiten Umlaufs musste er darum schmerzgequält weitgehend Halla die Initiative überlassen, die dennoch fehlerfrei blieb. So wurden beide Olympiasieger in Einzel- und Mannschaftswertung.

Nach ihnen gewannen dann 1976 Alwin Schockemöhle / Warwich Rex, 1992 Ludger Beerbaum / Classic Touch sowie 1996 Ulrich Kirchhoff / Jus de Pommes weiteres Einzelgold für Deutschland. Neben diesen fünf Einzelsiegen gewannen deutsche Springreitermannschaften bisher achtmal olympisches Gold. Nach 1936 dann von 1956 bis 1964 dreimal in Serie, danach 1972 in München, 1988 sowie zuletzt 1996 und 2000 zweimal hintereinander. Die beiden erfolgreichsten deutschen Reiter waren dabei Hans Günther Winkler mit viermal und Ludger Beerbaum mit dreimal Mannschaftsgold neben ihrem Einzelsieg. Zudem ist Winkler mit insgesamt sieben Medaillen zwischen 1956 und 1976 (fünfmal Gold, je einmal Silber und Bronze mit der Mannschaft) der bisher erfolgreichste olympische Springreiter.

Nach 2000 begann der deutsche Glanz zu verblassen: 2004 verlor das deutsche Team nachträglich die Goldmedaille an die USA, weil bei Ludger Beerbaums Goldfever der Dopingtest positiv ausfiel. Ohne ihn verblieb dem Team dann Bronze. Nachträglich des Dopings überführt musste auch der Ire Cian O’Connor 2004 sein Einzelgold wieder abgeben. 2008 in Hongkong traf es die deutsche Springreitermannschaft noch viel härter. Zu den fünf positiv getesteten Springpferden zählten auch Christian Ahlmanns Cöster und Marco Kutschers Cornet Obolenski, so dass Deutschland völlig aus der Wertung fiel. Wegen eines gedopten Pferdes verlor zudem die norwegische Mannschaft ihre Bronzemedaille.

Die deutsche Springreiterei hat sich von diesen unbedacht und sorglos begangenen Verstößen gegen die strenge Doping-Bestimmung inzwischen rehabilitiert und mit ihren Teams die WM 2010 sowie die EM 2011 gewonnen.«1)

1) Quelle: LZ, hgst, 24. Juli 2012

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