Distanzreiten
Distanzreiten kurz erklärt
Worum geht es beim Distanzreiten?
»Distanzreiten ist am ehesten als „Marathon zu Pferden“ zu erklären. Sieger ist derjenige, der als erstes über die Ziellinie reitet – vorausgesetzt, das Pferd passiert problemlos die letzte Tierarztuntersuchung.
Welche Streckenlänge gibt es beim Distanzreiten?
Einführungsritte mit Lehrcharakter und vorgeschriebenem Tempo beginne bei 25 km. Je nach Streckenlänge unterteilt man Wettbewerbe in kurze, mittlere und lange Distanzritte. Letztere beginnen ab 81 km und enden mit dem legendären Hundertmeiler über 160 km.
Woher kommt Distanzreiten?
In den unterschiedlichen Kulturen haben Strecken – oder Ausdauerritte verschiedene Wurzeln. Man denke an Dschingis Khan oder an den Pony-Express in den USA. Ein schneller Informationsfluss über Kuriere konnte früher kriegsentscheidend sein. In Deutschland geht der Distanzsport auf die Kavallerie zurück, die ihre Offiziere und Pferde auf Langstreckenritten prüfte. Als Geburtsstunde gilt der Ritt Berlin-Wien, Wien-Berlin 1982, ein Wettstreit zwischen der deutschen und österreichisch-ungarischen Armee. Hier und auch in den nachfolgenden Rennen bezahlten viele Pferde den Ehrgeiz ihrer Reiter mit dem Tod, weshalb im Sport die Anforderungen gesenkt und tierärztliche Kontrollen eingeführt wurden. Heute haben Tierärzte eine Richterfunktion. Von ihrem Urteil hängt es ab, ob ein Paar den Ritt fortsetzen darf, besteht oder nicht.
Ist Streckenreiten – wie Distanzreiten – pferdegerecht?
Pferde sind geborene Lauftiere, die in freier Natur bis zu 30 km am Tag zurücklegen. Der Distanzsport kommt der Natur des Pferdes insofern sehr entgegen. Natürlich würde in der Natur kein Pferd von sich aus 160 km am Stück laufen. Erst recht nicht in hoher Geschwindigkeit. Aber mit der entsprechenden Vorbereitung können sie es tun, ohne Schaden zu nehmen. Und werden darüber hinaus sogar oft in diesem Sport sehr alt: aktuelles Beispiel ist der 18-jährige Shagar, der unter Belinda Hitzler vor einer Woche in der Slowakei einen internationalen Ritt über 160 km gewann und auch noch mit dem Preis für die beste Kondition ausgezeichnet wurde. Es war sein 11. Hundertmeiler. Kurze Strecken in moderatem Tempo kann jedes gesunde, regelmäßig gerittene Pferd absolvieren. Mit der Länge der Strecke steigen die Anforderungen. Was wir in Luhmühlen an der Spitze der 160 km sehen werden, ist Hochleistungssport für Pferd und Reiter. Diese Pferde wurden über Jahre aufgebaut und dann auf den Punkt trainiert. Anders als langsamer gerittene Pferde, die im Laufe eines Jahres viele Kilometer laufen, werden die Top-Pferde oft nur 1-2 Wettbewerben im Jahr eingesetzt.
Wie funktioniert das Vet-Gate beim Distanzreiten?
Ab dem Arrival hat der Reiter 20 Minuten Zeit, sein Pferd mit maximal 64 Pulsschlägen pro Minute den Tierärzten vorzustellen. Weil die Reitzeit weiter läuft, sollte das möglich schnell geschehen. Das Kühlen der Pferde mit Wasser senkt den Pulsschlag. In der Intime am eigentlichen Vet-Gate wird die Zeit angehalten. Der Tierarzt misst u.a. den Puls, lässt das Pferd vortraben, hört den Darm, ob die Muskulatur locker und der Rücken schmerzfrei ist. Stimmt etwas nicht, wird das Pferd aus dem Wettbewerb genommen. Ist sich der Tierarzt über das Gangwerk unsicher oder möchte er aus anderen Gründen das Pferd nicht wieder auf die Strecke schicken, gibt es einen Dreierentscheid: 3 Tierärzte beurteilen das Gangwerk und stimmen geheim ab, ob das Pferd denn Ritt fortsetzen darf. Hier gibt es kein Wenn und Aber, sondern nur Ja oder Nein. Im Ziel wird immer zu dritt entschieden. Hat das Pferd das Vet-Gate passiert, gehen Pferd und Reiter in die Pause. Auf langen Strecken wird mit fortschreitender Kilometerzahl das Pferd kurz vor dem Abritt noch einmal den Tierärzten gezeigt.
Warum werden nationale und internationale Starter bei der DM gemeinsam gewertet?
Die DM-Wertung ist eine Schnittmenge, ein Kompromiss. Nationale Starter müssen sich teilweise dem internationalen Reglement anpassen (zum Beispiel beim Mindestgewicht), die internationalen Starter hingegen müssen sich in Teilen dem oft strengeren deutschen Reglement unterwerfen. Nur die von der FN erlaubten Pflegemaßnahmen sind erlaubt. Natürlich werden alle DM-Teilnehmer nach den gleichen Kriterien untersucht. Dieser Kompromiss soll es allen Reitern und Pferden ermöglichen, an den Deutschen Meisterschaften (DM) teilzunehmen – auch ohne FEI-Eintragung. Dafür können internationale Teilnehmer die DM auch als Qualifikation nutzen. Da sich die physiologische Belastung grundlegend von der in anderen Disziplinen unterscheidet – man denke an die Dressur – ist die Anzahl der großen Prüfungen, die ein Pferd im Jahr bewältigen kann, begrenzt.
Warum ist nicht immer der Schnellste der Sieger beim Distanzreiten?
Auch im Ziel muss das Pferd eine Tierarztuntersuchung passieren. In der sogenannten Nachuntersuchung sollte das Pferd in einer Verfassung präsentiert werden, die es erlauben würde, noch einmal 20 km geritten zu werden. Erst wenn die Nachuntersuchung erfolgreich absolviert ist, darf gefeiert werden.
Was ist der „Best Condition“ beim Distanzreiten?
Den Konditionspreis vergeben die Tierärzte an das Pferd, das sich am Tag nach dem Ritt am besten präsentiert. Dabei werden auch die Eintragungen in der Checkkarte zu Hilfe genommen. Daraus können die Tierärzte ersehen, wie das Pferd während des Rittes beurteilt wurde. In die nähere Auswahl kommen generell nur Pferde, die etwa eine Stunde nach dem Sieger die Ziellinie überquert haben, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten.«1)
1) Quelle: Cornelia Koller, Text | Illustration | Werbung
Kleines Lexikon für Nicht-Distanzreiter
»Arrival-Time:
Ab jetzt hat der Reiter 20 Minuten Zeit, den Puls seines Pferdes in der Crewing Aerea auf 64 Schlägen pro Minute oder niedriger zu bekommen. Die Reitzeit läuft weiter. Je schneller das Pferd den Tierärzten präsentiert wird, desto besser. Profis brauchen dazu nicht mal eine Minute.
Vet-Gate:
Das Reich der Tierärzte für die Untersuchungen.
Intime:
Am Eingang der Vet-Gates wird die Reitzeit angehalten. Die Pausezeit beginnt jetzt.
Resting Aerea (Pauseplatz):
Hat das Pferd die Tierarztuntersuchung problemlos absolviert, wird es in der Resting Aerea versorgt.
Re-Check:
Wird das Pferd mit zu hohem Pulswert vorgestellt, erhält der Reiter eine zweite und letzte Chance. Die Reitzeit läuft weiter.
Re-Inspection:
Eine zweite Tierarztuntersuchung nach der Pause, kurz bevor das Paar wieder auf die Strecke geht. Wird erst gen Ende des Rittes auf langen Strecken durchgeführt.
Out-Time:
Die Reitzeit läuft wieder, das Paar darf auf die nächste Runde.«2)
2) Quelle: Globetrotter Luhmühlen Challenge 2012 – Deutsche Meisterschaften um Distanzreiten – German Endurance Championships – 1. – 3. Juni 2012